kaffeehandel ∣ teil 1: die wertschöpfungskette


Kaffeehandel ist ein sehr komplexes Geschäft mit zahlreichen Akteur:innen auf einem weltweiten Schauplatz. Einen Überblick zu gewinnen ist gar nicht so leicht.
Du hast Lust, zu verstehen, wie Kaffeehandel funktioniert und wo dein Kaffee herkommt? Wir möchten dir den Überblick vereinfachen und werden dir zeigen, was fair im Kaffeehandel bedeuten kann und worin sich faire von konventionellen Kaffees unterscheiden.
 

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In dieser mehrteiligen Reihe möchten wir dir den äußerst komplexen und vielschichtigen Handel mit Kaffee verständlich aufbereiten, damit du verstehst, welche Schritte notwendig sind, damit du deinen Kaffee genießen kannst. Gleichermaßen liegt es uns am Herzen, Schwachstellen des Systems zu beleuchten und hier und da Perspektiven aufzuzeigen, wie ein besserer, und damit meinen wir, für alle Parteien fairerer und dadurch nachhaltiger Kaffeehandel möglich wäre. Wichtig ist uns, zu betonen, dass unsere Ausführungen kein vollständiges Bild des Kaffeehandels darstellen kann. Die Komplexität dieses Systems lässt Verallgemeinerungen nur bedingt zu. Immer müssen über den gesamten Kaffeeglobus hinweg die Eigenheiten der Anbauregionen und -länder hinsichtlich der Struktur, Regularien und der wirtschafts- sowie sozialpolitischen Gesamtsituation bedacht werden. Wir lernen mit jedem Tag dazu und mit neuen Gesichtern auch neue Perspektiven kennen. Das Ziel soll sein, Fragen aufzuwerfen, dir einen Überblick zu verschaffen, um dir ein Grundverständnis für den doch recht speziellen Kaffeehandel anzueignen, auf dessen Grundlage du moderne Bewegungen und Begrifflichkeiten richtig einzuordnen lernst.

Der erste Teil soll sich mit einem kurzen Überblick über die Wertschöpfungskette im Ganzen beschäftigen. Beginnend im Anbauland mit Produzent:innen und Exporteur:innen, über Importeur:innen und Röster:innen bis hin zu dir, dem Endkonsument:in. Zunächst ist die Wertschöpfungskette des Kaffees kein starres Konstrukt mit festen Strukturen, sondern je nach Ursprungsland, sowie Menge und Qualität des angebauten und geernteten Kaffees ein sehr fragiles, flexibles und vielerorts über viele Jahrzehnte gewachsenes System mit regionalen Eigenheiten.

Anbau und Ernte

Der lange Weg des Kaffees beginnt natürlich bei der Produktion, dem Kaffeeanbau. Wenn wir von „Produzent:innen“ sprechen, ist das eher ein beschreibender Begriff, der die Produzent:innen-Vielseitigkeit einzelner kleiner Farmer:innen, Zusammenschlüsse verschiedener Farmer:innen (beispielsweise in Form von Kooperativen) oder Großfarmer:innen zusammenfasst. Je nach Größe der Anbaufläche, Auswahl der angebauten Varietäten (und deren Resistenz gegenüber Krankheiten), Geographie (ebenes Terrain mit Monokultur versus schwer zugängliche Hanglagen in Mischwäldern und daraus resultierend Einsatzmöglichkeit maschineller Erntemethoden oder Begrenzung auf manuelle Ernte) und klimatischen Voraussetzungen (Niederschlag, Temperatur(-schwankungen) und Sonneneinstrahlung) erzielen Produzent:innen mehr oder weniger hohe Erträge und mehr oder weniger hohe Qualität. Auf diese Weise kann sich ein Produzent:in aufgrund seiner Erntemenge oder im Bereich der Spezialitätenkaffees (dazu später) aufgrund seiner außergewöhnlichen Qualität mit einer größeren oder kleineren Marktmacht positionieren. Während große Produzent:innen in Eigenregie ihren Kaffee weiterverarbeiten und vertreiben können und teilweise sogar die Logistik bis hin zum Schiff selbst organisieren, schließen sich kleine Farmer:innen mit wenigen Hektar Fläche häufig zu Kooperativen zusammen. Zusammen mit anderen kleineren Farmer:innen erbringen sie so einen größeren Ertrag, vereinfachen den Vertrieb und bessern die eigene Verhandlungsposition. Außerdem können gemeinsame Investitionen in Verarbeitungsanlagen (wie zum Beispiel Washing Stations) getätigt und dadurch unabhängigeres und kostengünstigeres Arbeiten gefördert werden.

Um an dieser Stelle das Verständnis für die teils sehr bedeutsamen Unterschiede zwischen Produzent:innen aufzuzeigen, möchten wir noch einmal kurz zusammenfassen, welche Schritte von der Ernte der Kaffeekirsche an notwendig sind, um Rohkaffee auf einem Schiff in die Konsumländer zu transportieren.

 

Weiterverarbeitung und Logistik

Zunächst müssen die Kaffeekirschen unmittelbar nach ihrer Ernte weiterverarbeitet werden. Das bedeutet grob: Das Kirschfleisch muss weg, die Kerne der Kirsche (also die Kaffeebohnen) müssen getrocknet und damit für die lange Reise haltbar gemacht werden. In unserem Beitrag zu Aufbereitung / Processing findest du Erklärungen zu den unterschiedlichen Verfahren und deren Bedeutung für Kaffeegeschmack und -qualität. Diese Aufbereitung wird im Falle kleinerer Produzent:innen beispielsweise zentral in der Kooperative oder einer regionalen Washing Station durchgeführt oder im Falle größerer Produzent:innen auf den Farm-eigenen Aufbereitungsanlagen. Von hier aus geht der Rohkaffee weiter zur Sortierung (vorrangig nach Bohnenqualität und -größe) und Verpackung. Diese wird wiederum von größeren Produzent:innen selbst übernommen, meistens jedoch von Exporteur:innen, die den Kaffee von Kooperativen oder einzelnen ProduzentI:innen aufkaufen und selbst sortieren und verpacken. In diesem Fall ist das Exporteur:in verantwortlich für Qualität und den Transport des Kaffees bis aufs Schiff. Große Produzent:innen übernehmen diese Schritte, inklusive Logistik und Risiko entlang des Prozesses häufig selbst. Ein weiterer möglicher Weg führt direkt über den Importeur, der Rohkaffees für sein Portfolio, entsprechend des Konsument:innenbedarfs sucht (sourct), die Logistik organisiert, (Erntevor-)Finanzierungen und Risiken übernimmt, Infrastruktur und Wissen vermittelt und gleichzeitig als Schnittstelle zwischen Röstereien und Produzent:innen fungiert. Darüber hinaus lagert er Kaffee ein und stellt Kaffees bedarfsgerecht zur Verfügung. In direkten Handelsbeziehungen kann diese Position vollständig oder in Teilen von Röstereien oder einer Vereinigung mehrerer Röstereien übernommen werden. Ziel ist es hierbei, unmittelbaren und persönlichen Austausch herzustellen und direkte Handelsbeziehungen aufzubauen.

Verkomplizierend kommen mancherorts Agent:innen oder Makler:innen hinzu, die in erster Linie Kontakte zwischen den obengenannten Positionen pflegen und herstellen. Diese Position ist nicht zu unterschätzen, geht sie doch auf Jahrzehnte lang gewachsene Mikrostrukturen zurück, die ein sozialökonomisches System stabilisieren oder auch destabilisieren können.
Des Weiteren gaben staatliche oder halbstaatliche Institutionen in vielen Ursprungsländern bis vor wenigen Jahrzehnten eigene Regularien für den Kaffeevertrieb vor oder vertrieben den Kaffee ausschließlich selbst. Auch heute nehmen hier und dort Staaten durch Lizenzierungen oder Sondersteuern erheblichen Einfluss auf den Kaffeevertrieb. Einen weiteren Vertriebsweg stellen Auktionen wie der „Cup of Excellence“ dar, über den sich besonders hochwertige Kaffees von Produzent:innen und Exporteur:innen direkt verkaufen und von Importeur:innen oder Röster:innen erwerben lassen.

 

Die Kaffeerösterei

Die Kaffeerösterei ist es, die den gelagerten Rohkaffee im Konsumland zu einem Genussmittel mit Anspruch an Frische veredelt. Gleichzeitig ist sie diejenige, die einerseits durch die Röstung den Verwendungszweck beeinflusst und andererseits den Kontakt zu Endkonsument:innen (Einzelhandel, Gastronomie und Privatkäufer:in) pflegt und auf diese Weise Konsumtrends erkennen muss, um sie an die voranstehende Kette weiterreichen zu können. Sie bildet somit ein Verbindungsglied zwischen Produzent:innen im Ursprungsland und Konsument:innen im davon entfernt gelegenen Konsumland.

Die Vielschichtigkeit der Wertschöpfungskette ist zu betrachten, um zu verstehen, wie sich Rohkaffee- und auch später Röstkaffeepreise zusammensetzen. Eines wird bereits deutlich, bevor wir uns auch nur der Börse, verschiedenen Preisfindungs-Modellen und Währungsdifferenzen nähern: Der Weg vom Anbau bis hin zum Röstkaffee ist sehr lang und vielseitig und der Kaffee muss durch zahlreiche Hände, die am Handel mitverdienen wollen und notwendige Funktionen im komplexen und meist auf eine gute Portion Vertrauen basierenden Wertschöpfungsprozess übernehmen.

In den folgenden Teilen möchten wir einzelne Positionen der Wertschöpfungskette, inklusive derer Aufgaben, Potenziale und auch Risiken, etwas detaillierter darstellen. Außerdem werden sich Teile mit übergreifenden Handelsprinzipien, wie dem Börsenhandel, alternativer Handelsmodelle (Spezialitätenkaffee-Branche, direkte Handelsbeziehungen zwischen Röster:innen und Produzent:innen) und der Definition wichtiger Begrifflichkeiten beschäftigen.

 

Autor: Frederik Baumann


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