Äthiopien ist den meisten als Kaffeeanbauland bekannt. Doch welche Geschichten, Herausforderungen und Geschmäcker kommen mit äthiopischem Kaffee einher?
Dass in Äthiopien Kaffee angebaut wird, stößt selten auf Überraschung, so gilt es oft als das Ursprungsland des Kaffees und gerade im Spezialitätenkaffee ist äthiopischer Kaffee stark vertreten. Doch wurde Kaffee wirklich in Äthiopien entdeckt? Wie wird Kaffee heutzutage dort angebaut? Wie unterscheiden sich die Anbauregionen geschmacklich? Was sind „Heirloom Varieties“? Und was steckt eigentlich hinter der äthiopischen Kaffeezeremonie? All diese Fragen und noch ein paar weitere zur wilden Geschichte des äthiopischen Kaffeehandels werden im Laufe dieses Blogbeitrages beantwortet!
Äthiopien als Ursprungsland des Kaffees
Einer Legende zufolge soll ein äthiopischer Ziegenhirte als Erster die aufputschende Wirkung des Kaffees beobachtet haben. Dieser stellte fest, dass Ziegen, die von den roten Kaffeekirschen aßen, wesentlich aufgedrehter waren und übermittelte seine Beobachtungen einem nahegelegenen Kloster. Die Mönche des Klosters stellten ein Getränk aus den Kaffeekirschen her und erfuhren am eigenen Leibe, dass sie die abendlichen Gebetsstunden deutlich wacher überstanden und trugen ihre Beobachtung hinaus in die Welt. Natürlich hatte das Getränk damals wenig mit unserem heutigen Kaffee zu tun und natürlich ist dies nur eine Legende, doch zeigt sie, wie tief Kaffee in der äthiopischen Kultur verwurzelt ist!
Auch die Namensgebung unserer aller liebsten Heißgetränks könnte aus Äthiopien kommen! So könnte sich Kaffee einerseits vom arabischen „quwwa“ (Kraft, Energie) ableiten oder ein Verweis auf das mittelalterliche Königreich Kaffa im heutigen Süd-Westen Äthiopiens sein, welches ebenfalls als Ursprungsregion des Kaffees gilt und schon Handel mit Kaffeepflanzen betrieb. Die genaue Wortherkunft ist jedoch noch nicht geklärt.
Äthiopischer Kaffeeanbau und Besonderheiten unserer Anbauregionen
Von der Legende des Ziegenbauers aus hat es der äthiopische Kaffeeanbau bis heute weit gebracht. Äthiopien ist das achtgrößte Kaffeeexport-Land der Welt, beherbergt ein Fünftel der weltweiten Kaffeefarmen und 20 % der Bevölkerung (also ca. 23.5 Mio Menschen) arbeiten direkt oder indirekt in der Kaffeeindustrie. Der Anbau beschränkt sich auf Arabica Kaffee. Dabei ist in Äthiopien im Laufe der Zeit eine enorme Diversität an Arabicavarietäten evolviert. Diese Vielfalt wird als „Heirloom“ Varietäten, gelegentlich auch als „Local Land Races“ zusammengefasst. Nur in seltenen Fällen werden bestimmte Varietäten explizit angebaut.
Der äthiopische Kaffeeanbau findet meist in Kleinstproduktionen in Wäldern und Teilwäldern (10%, 35%), Gärten (50%) und Plantagen (5%) statt. Diese kleinen Produktionen, die auch „Smallholders“ genannt werden, machen 86% der äthiopischen Kaffeeproduktion aus. Da diese Smallholder nicht über eigene Waschstationen verfügen, tragen sie ihren Kaffee in der nächstgelegenen Washing-Station zusammen. Dies ist auch einer der Gründe, weshalb bei äthiopischem Specialty-Kaffees oft nur die Region oder der Ort der Washing-Station auf der Tüte steht und nicht wie bei vielen südamerikanischen Kaffees die genaue Farm/Finca. An den Washing-Stations werden die Bohnen dann gesäubert, nach ihrer Qualität sortiert und auf diverse Arten und Weisen aufbereitet. Dabei werden gut zwei Drittel des äthiopischen Kaffees aufgrund der klimatischen Bedingungen (viel Sonne, knappe Wasserbestände) natural, also getrocknet, aufbereitet.
Wie unterschiedlich Kaffee aufbereitet werden kann und welchen Einfluss die Aufbereitung auf den Geschmack hat, könnt ihr hier nachlesen. (https://www.zwookaffee.de/blogs/news/kaffeeaufbereitung-processing?_pos=6&_sid=d128b2d88&_ss=r)
Äthiopischer Spezialitätenkaffee wird überwiegend in den südlichen Regionen Sidama (auch oft Sidamo genannt), Yirgacheffe und Guji angebaut. Kaffees aus diesen Regionen haben oft blumige, süße oder spritzige Noten.
In Sidama wird Kaffee auf 1.400m-2.200m ü. M. bei optimalen Temperaturen auf fruchtbaren Böden entlang des Großen Afrikanischen Grabenbruchs angebaut. Kaffees aus Sidama werden größtenteils (zu 60%) gewaschen aufbereitet und kommen oft mit floral bis spritzige Noten und einem vollen Körper daher. Dies spiegelte sich auch in unserem Kolibri wider, unserem gewaschenen Kaffee aus Sidama mit floralen Schwarztee und Hibiskus-Noten, ergänzt durch eine süßlich abgerundete Spritzigkeit, die an reife Plattpfirsiche erinnerte.
Als Besonderheit Sidamas gilt die Unterregion Yirgacheffe, welche hervorragenden Washed und Natural aufbereitete Kaffee hervorbringt. Ähnlich wie in Sidama werden die gewaschenen Kaffees Yirgacheffes gerne mit Teearomen, insbesondere Earl Grey, umschrieben, oft kombiniert mit einer spritzigen Säure, die an Zitrusfrüchte erinnern kann. Trocken aufbereitete Kaffees aus dieser Region sind hingegen wahre Fruchtbomben und überzeugen mit ihrer natürlichen, fruchtigen Süße. So kommt es, dass diese Kaffees nicht nur mit teeähnlichen Aromen, sondern oft auch mit süßen Beeren oder reifen exotischen Früchten assoziiert werden. Das trifft auch auf unseren natural aufbereiteten Kaffee aus Yirgacheffe zu, der neben Hagebutten- und Zitrusnoten auch durch seine tiefen beerigen und teeähnlichen Fruchtnoten überzeugt. Allessamt eher rote Geschmacksrichtungen, die sich in unserem flamingo wiederfinden.
Besonderheiten des äthiopischen Kaffeehandels – Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft
Die Geschichte des äthiopischen Kaffeehandels ist so lang wie turbulent und geht bis in die Antike zurück. Das aksumitische Reich soll schon im zweiten vorchristlichen Jahrhundert mit Kaffee gehandelt haben. Seither hatten verschiedene Machthaber unterschiedlichste Auffassungen über den Anbau, Handel und Konsum von Kaffee und auch die jüngere Vergangenheit ist sehr wechselhaft. Dabei spielt vor allem die Ethiopia Commodity Exchange (ECX) eine große Rolle. Die ECX ist eine Aktien- und Warenbörse die 2008 mit dem Ziel gegründet wurde, ein starkes Wachstum der äthiopischen Wirtschaft zu ermöglichen und den Handel für alle Beteiligten sicherer zu machen. Die ECX kontrolliert die Geld- und Warenflüsse und stellt so sicher, dass die Produzenten schnell an ihr Geld kommen und die Käufer auch die ihnen zugesicherte Ware erhalten. Ein Zustand, der bis dahin nicht selbstverständlich war. Den größten Einfluss auf den äthiopischen Kaffeehandel hatte die ECX, indem sie den Weltmarktpreis für Kaffee und dessen Entwicklung für die Smallholder in Echtzeit zugänglich gemacht hat. Jedoch hat die ECX eine enorme Schwachstelle, die besonders im Spezialitätenkaffee von besonderer Bedeutung ist: Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Denn, an der ECX gehandelter Kaffee wird nur eine weiträumige Herkunftsbezeichnung wie „Sidamo“ zugeteilt, eine genauere Rückverfolgung ist nicht möglich. Dies dient laut eigenen Angaben dem Schutz der Produzenten. Zudem kann der Kaffee erst nach dem Kauf probiert werden, sodass Käufer sich auf das ECX-interne Qualitätsurteil verlassen müssen. Dieses Urteil wird jedoch von verschiedenen Seiten als nicht ausreichend betrachtet. Für Exporteure und Röstereien, die über einen längeren Zeitraum denselben, qualitativ hochwertigen und nachvollziehbaren Spezialitätenkaffee anbieten wollen, ist die ECX dementsprechend nicht geeignet. Dennoch konnten Exporteure, die nicht in den Anbau des Kaffees involviert sind, äthiopischen Kaffee lange nur über ECX-Auktionen erwerben. Im Jahre 2016 wurden 98% des exportierten Kaffees an der ECX gehnadelt. Auf diese Kritiken der Specialty Coffee Branche reagierte die regierungsgeführte ECX, sodass seit 2017 eine transparentere Form des Kaffeehandels an der Börse möglich ist. Seitdem sind an der ECX auch direkte Verhandlungen zwischen Exporteuren und Produzenten möglich. Die ECX ist dann nur noch zum Zwecke der Qualitätskontrolle und zur Durchsetzung ihrer Preisuntergrenzenregelung beteiligt. Dies ermöglicht den Exporteuren einen besseren Einblick in die Qualität des Kaffees, die Produzenten haben mehr Verhandlungsmöglichkeiten und der Kaffee kann als direkt gehandelt beschrieben werden.
Neben der ECX gab es jedoch auch immer die Möglichkeiten, Kaffee von Unions oder kommerziellen Farmen von gewisser Größe zu beziehen. Unions stellen Dachverbände für Kooperativen dar. Über sie kann Kaffee direkt von ausgewählten Kooperativen bezogen werden und der Kaffee kann vollständig rückverfolgbar und wiedererkennbar sein.
Außerdem kann Kaffee, wie gesagt, auch direkt von Farmen bezogen werden. Diese müssen dann jedoch eine Mindestgröße von 35 Hektar aufweisen. Sie bieten rückverfolgbaren und oft nachhaltigen Kaffee von ihrem eigenen Land, zusammen mit dem Kaffee der Kleinbauern um sie herum, an. Nur Kaffee, der von Unions oder direkt von den Farmen gekauft wird, kann auch als Organic bezeichnet werden, da der nachhaltige Anbau rückverfolgbar sein muss. Bei Kaffee, der an der Börse gehandelt wird, ist dies nicht möglich.
Die Frage, die sich nun stellt, ist, wieso nicht alle Kaffee bei den Dachverbänden oder Farmen kaufen, wenn es doch direkter und nachhaltiger ist? Dies kann zum einen den Grund haben, dass Röstereien unterschiedlich viel Wert auf die Rückverfolgbarkeit des Kaffees legen und manchen eine großräumige Ursprungsbezeichnung der ECX, wie „Sidamo“ reicht, zumal der Kauf über die ECX bequemer ist. Zum anderen liegt es aber auch daran, dass Kaffee von externen Käufern nur direkt bei Unions oder Farmen gekauft werden darf, die aktiv ins Exportgeschehen eingebunden sind.
Wir beziehen unseren äthiopischen Kaffee über unseren sehr transparenten Importeur Ally Coffee von der METAD Union. Ally Coffee pflegt langjährige Beziehungen zu mehreren Unions und Farmen in einer Vielzahl von Anbauländern. METAD Coffee ist ein familiengeführtes, regionales Kaffeeunternehmen, dass sich der wirtschaftlichen und sozialen Weiterentwicklung der Anbauregionen verschrieben hat. Zu METAD zählen Anbaugebiete in unterschiedlichen äthiopischen Regionen, wobei die Kaffees bis in die kleinste Ortschaft rückverfolgbar sind. Neben den firmeneigenen Farmen arbeitet METAD mit 10.000+ Smallholdern zusammen und deckt dabei die gesamte Wertschöpfungskette von den Pflanzensetzlingen bis zum Export ab. Neben dem großen Fokus auf hochqualitativen Kaffee weist METAD auch großes soziales Engagement auf. Dazu zählen jährlich ausführliche Fortbildungen, zuverlässig geregelter Lohn und Prämien, sowie über 600.000 kostenlose Kaffeepflanzen für Smallholder. Des Weiteren unterstützt Metad die lokale Bevölkerung durch den Bau von Infrastruktur wie Straßen, Brunnen und Krankenhäusern sowie durch Investitionen in Schulen und die Vergabe von Stipendien. METAD weist auch ein besonderes Umweltbewusstsein auf. So sind all ihre Kaffees Organic zertifiziert und sie setzen im regenarmen Äthiopien bei der gewaschenen Aufbereitung auf besonders wassersparende Mühlen.
Neben der herausragenden Qualität des Kaffees und unserer guten Beziehung zu Ally Coffee, wollen wir durch unseren flamingo aus Gotiti (eine Ortschaft in Yirgacheffe) auch diese Initiativen unterstützen.
Äthiopische Kaffeekultur & Zeremonie
Anders als in vielen anderen Anbauländern, ist der Konsum von heimischem Kaffee in Äthiopien kulturell verwurzelt. Etwa die Hälfte des äthiopischen Kaffees wird im eigenen Land konsumiert. Die berühmte äthiopische Kaffeezeremonie gilt als wichtigste Form der Sozialisierung in Äthiopien und wird in den meisten Haushalten bis zu dreimal täglich mehrstündig praktiziert. Sie umfasst ein gemütliches Ambiente, die Reinigung von Rohkaffee sowie dessen Röstung und anschließende Zubereitung. Sie wird als spirituelle Geste oder Akt der Gastfreundschaft abgehalten. Doch unterscheidet sich das dortige Rösten und Zubereiten des Kaffees stark von den hier geläufigen Methoden.
Zunächst einmal wird äthiopischer Kaffee erst kurz vor der Zubereitung geröstet. Die grünen Kaffeebohnen werden von Schmutz und kleinen Steinchen befreit und anschließen in einer Pfanne über glühender Kohle geröstet. Um den Röstvorgang so gleichmäßig wie möglich zu gestalten, wird die Pfanne regelmäßig geschwenkt oder der Kaffee kontinuierlich umgerührt. Der Röstvorgang kann auch schon bei hellem oder mittlerem Röstgrad unterbrochen werden, jedoch werden dunklere Röstungen mit sehr kräftigem Aroma gemeinhin bevorzugt. Zudem kann im Röstprozess Kardamom hinzugefügt werden, um einen noch würzigeren Geschmack zu erzielen. Während der Kaffee geröstet wird, wird Wasser in einer charakteristisch bauchigen Kaffeekanne aus schwarzem Ton, der sogenannten Jabana, zum Kochen gebracht. Ist der gewünschte Röstgrad erreicht, wird der Kaffee per Hand gemahlen, oder viel mehr zerstoßen. Dabei werden die Bohen mit Mörser und Stößel, meist aus Holz, zu einem groben Pulver zerstoßen. Das Pulver wird anschließend in die Jabana gegeben und mit kochendem Wasser aufgebrüht. Dabei wird immer wieder probiert, ob der Kaffee bereits die gewünschte Stärke hat. Ist dies erreicht, ist der Kaffee servierfertig und wird in einem Zug in alle Tassen eingeschenkt. Auf den in der Jabana verbliebenen Kaffeesatz wird zwei- bis dreimal Wasser nachgegossen und erhitzt. Mit jeder Runde nimmt die Intensität in der Tasse ab. Der so zubereitete Kaffee wird schwarz oder mit Zucker getrunken, Milch wird normalerweise nicht angeboten.
Zum Kaffee wird in Äthiopien frisch geröstetes Popcorn serviert, welches in einem Topf zubereitet wird, während der Kaffee in der Jabana zieht.
Die Röst- und Brühprozess der modernen Specialty Coffee Szene sind bis heute also weit von der traditionellen äthiopischen Kaffeezeremonie abgewichen. Und auch wenn wir unseren beerig-blumigen äthiopischen flamingo wesentlich heller rösten und lieber als Espressogetränk oder Filterkaffee zubereiten, ist Popcorn zum Kaffee vielleicht auch hier mal einen Versuch wert.
Autor: Jan Kierdorf